Teil 2: La Dolce Vita – Wie Zucker unsere Gesundheit beeinflusst
Im Jahr 1874 lag der Pro-Kopf-Zuckerkonsum mit 6,2 kg wünschenswert niedrig. Das Bundesinstitut für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) nennt für das Jahr 2020 einen Pro-Kopf-Zuckerkonsum in Höhe von 33,8 kg. Eine enorme Steigerung, die mit den veränderten Ernährungsgewohnheiten einhergeht. Sicherlich ist das keine gute Entwicklung. Den meisten Menschen ist auch gar nicht bewusst wie viel Zucker täglich so verzehrt wird. Neben vielen Kleinigkeiten, die über den Tag verteilt in den Mund wandern, kommt die unbekannte Menge an verstecktem Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln oder Produkten – vom Gummibärchen über Schokocroissant bis zur Limonade hinzu.
Leg dich nicht mit Zucker an – er ist raffiniert!
Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass ein Zuviel an Zucker die Entstehung von Übergewicht und Adipositas sowie zahlreichen mit Übergewicht assoziierten Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II und auch kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigen. Mit der Aufnahme von Zucker wird im Belohnungszentrum des Gehirns Dopamin freigesetzt. Dopamin besitzt einen stimmungsaufhellenden Einfluss auf unsere Psyche. Studien zeigen jedoch, dass eine kurzfristige Verbesserung der Stimmung durch zuckerreiche Lebensmittel trügerisch ist. Langfristig erscheint ihr Einfluss auf die Psyche eher negativ. Zumal ein schnelles Absinken des Blutzuckerspiegels rasch für Müdigkeit, Konzentrationsverlust und Heißhungerattacken sorgt. Genaues Hinschauen lohnt sich bei süßen Getränken wie Eistee, Limonaden oder Colagetränken. Hier fehlt bei gleichzeitiger Aufnahme hoher Energiemengen die sättigende Wirkung, was schnell zu großen Verzehrsmengen und damit zu hoher Energiezufuhr in Form der bekannten Kalorien führt. Wer zuckerreich isst und trinkt, dem fehlen häufig Ballaststoffe, Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Calcium, Eisen, Zink und oft auch Vitamine, insbesondere aus dem Vitamin-B-Komplex.
Was macht der Zucker mit den Zähnen?
Regelmäßiger Zuckerkonsum bewirkt einen Anstieg kariogener Bakterien in der Mundhöhle. Diese kariesauslösenden Bakterien sind insbesondere Streptokokken der Gattung „mutans“ und Laktobazillen. Sie befinden sich unter anderem in Plaque (oder auch Biofilm genannt), die sich aus Nahrungsresten und Speichel bildet und sich auf den Zähnen ablagert.
Karies entsteht, wenn die Bakterien den Zucker in Säure verstoffwechseln. Die so entstandene Milchsäure dringt in die äußere Schutzschicht der Zähne, den Zahnschmelz, ein und entzieht den Zähnen insbesondere die Mineralien Calcium und Phosphat. Auf diese Weise entsteht nach und nach ein Loch im Zahn.
Auch die Häufigkeit, mit der Zucker über den Tag verteilt verzehrt wird, ist entscheidend. Werden die Zähne immer wieder Zuckerattacken ausgesetzt, haben die im Mund vorhandenen Bakterien permanent die Chance, den Zahnschmelz anzugreifen und so Karies entstehen zu lassen. In Kitas und Schulen hilft der zuckerfreie Vormittag diese Säureangriffe auf den Zahnschmelz zu reduzieren. Zuckerfreier Vormittag bedeutet, dass die Kinder in ihrer Brotdose eine ausgewogene Pausenmahlzeit bestehend aus Vollkornbrot, Käse oder Wurst, Gemüse und/oder Obst haben sollten. Kleine Zugaben wie Schokobons oder Gummibärchen, die Haushaltszucker enthalten oder auch mit Zucker oder Honig gesüßte Getränke gehören definitiv nicht dazu.
Das Präventionsprogramm Kita mit Biss beinhaltet als wesentlichen Bestandteil die Durchführung des zuckerfreien Vormittags. Hierzu gehört beispielsweise:
- Das Angebot von zucker- und säurefreien Getränken.
Wasser ist das Getränk der Wahl, ungesüßter Früchte- oder Kräutertee kann für Abwechslung sorgen. - Das Angebot von kauaktiven Obst- und Gemüsesorten.
Hier können auch Eltern aktiv einbezogen werden. Wenn Eltern mal eine Kleinigkeit mitbringen, profitieren alle Kinder davon. - Entweder auf das mitgebrachte Frühstück der Kinder achten und Eltern gezielt Hilfestellung geben oder ein zahnfreundliches Frühstück für alle Kinder in der Kita anbieten.
- Bei Kindergeburtstagen, die in der Kita gefeiert werden, gemeinsam über Alternativen zu den süßen Mitbringseln wie Muffins oder Kuchen nachdenken.
Fazit
„Weniger ist mehr“ – dieses Credo sollte immer wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Und dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen der Ernährungspyramide des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) wider, die den einen Baustein „Süße und fettige Snacks“ mit der roten Ampelfarbe in der Spitze der Pyramide trägt. Das bedeutet: Süßigkeiten sind einmal am Tag okay – und die Menge sollte den Platz des eigenen Handtellers nicht überschreiten.
Die Vorliebe für den süßen Geschmack ist durch das Fruchtwasser im Mutterleib und die Muttermilch angeboren und sichert daher die Existenz unseres Lebens. Durch die Esskultur in der Familie mitbestimmt und angewöhnt ist allerdings die Menge und Häufigkeit, in der Süßigkeiten und süße Getränke verzehrt werden. Aus diesem Grund besteht in der Ernährungsbildung und Ernährungserziehung die Chance bereits frühzeitig auf einen moderaten Umgang mit süßen Lebensmitteln hinzuwirken. Das gilt für Elternhaus, Oma und Opa, aber auch für Kita und Schule. Wünschenswert ist, dass alle Beteiligten hier sprichwörtlich „am gleichen Strang ziehen“. Bei unseren täglichen Mahlzeiten sollen die pflanzlichen Lebensmittel überwiegen. Sie sättigen und liefern wichtige Nährstoffe, die Kinder für ein gesundes Aufwachsen benötigen. Zeigen wir Kindern, dass Süßigkeiten ihren eigenen Platz im Tagesablauf haben und etwas Besonders sind. Sie dürfen genussvoll verzehrt werden und im Anschluss sorgt die Zahnbürste dafür, dass der Zucker von den Zähnen wieder verschwindet.
INFOBOX
Kinder brauchen eine gesunde Ernährungsumgebung – Gesetzesvorhaben für mehr Kinderschutz in Werbung und Umgebung
Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir fordert in einem Gesetzentwurf, die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Salz oder Fett künftig einzuschränken und gezielt zu unterbinden. Geplant ist, dass diese Art der Werbung in allen für Kinder relevanten Medien unzulässig und im Zeitfenster von 6:00 bis 23:00 Uhr einzuschränken ist. Zusätzlich soll für Außenwerbung eine Bannmeile im Umkreis von 100 Metern um Kindertagesstätten, Schulen, Freizeiteinrichtungen oder Spielplätzen eingerichtet werden. Bei der Beurteilung von Lebensmitteln im Hinblick auf zu hohe Zucker-, Fett- oder Salzgehalte will sich das Bundesministerium an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren.
Helfen Sie in Ihrer Einrichtung durch gezielte Auswahl und das kontinuierliche Angebot von Obst und Gemüse sowie kauaktiven Zwischenmahlzeiten mit, Kindern die Chance auf ein gesundes Ernährungsverhalten zu verinnerlichen.