Teil 1: Zucker im Wandel der Geschichte
Einst war Zucker ein Luxusgut und wurde sogar als „weißes Gold“ bezeichnet. Zucker galt als Heilmittel schlechthin, doch im Laufe der Zeit wurde Zucker zum „süßem Gift“. Zucker ist geliebt und wird zeitgleich verteufelt. Es gibt wenige Lebensmittel, über die die Meinungen in der Gesellschaft so stark auseinander gehen. Zucker wird als „süß schmeckendes, kristallines Lebensmittel“ definiert, das aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wird. Zucker stellt eine wichtige Zutat in der Küche dar. Wir nutzen Zucker, um Lebensmittel bzw. Gerichte schmackhaft zu machen, also um sie zu versüßen. Gleichzeitig entfalten viele Lebensmittel erst ihr volles Aroma, wenn sie gezuckert werden – Geruch und Geschmack werden durch den Zusatz von Zucker intensiver. Zucker hat auch technologische Bedeutungen: In Kuchen oder Gebäck dient Zucker als Füllmittel und gibt dem Teig somit sein Volumen und seine Festigkeit. Zucker ist auch ein Konservierungsmittel: Er verlängert die Haltbarkeit, indem er freies Wasser im Lebensmittel bindet, das dann den Verderbnis erregenden Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen nicht mehr als Lebensraum zur Verfügung steht. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Einkochen von Früchten oder die Herstellung von Marmelade.
Die Geschichte des Zuckers
Die ältesten Zuckerrohrfunde werden auf etwa 8.000 v. Chr. datiert. Die Heimat der Zuckerrohrpflanzen liegt in der Inselwelt von Melanesien und Polynesien. Die Ureinwohner nahmen die Pflanzen auf ihren Reisen mit. Auf diese Weise gelangte das Zuckerrohr etwa 6.000 Jahre v. Chr. von Ostasien nach Indien und Persien. In Persien wurde um 600 n. Chr. heißer Zuckerrohrsaft in Holz- oder Tonkegel gefüllt, so dass die sirupartige Flüssigkeit durch ein Loch in der Spitze ablaufen konnte und der Zucker in dieser Spitze auskristallisierte. Es entstand der in seiner Form noch heute bekannte Zuckerhut. In der Folgezeit bereite sich das Zuckerrohr mit den arabischen Eroberern im Mittelmeerraum aus. Arabische Mediziner nutzten Zucker zur Wundheilung. Durch die Kreuzfahrer kam der Zucker im 11. Jahrhundert auch bis Mittel- und Nordeuropa. Zucker war zunächst Arznei und Luxusgut und wurde in Apotheken auch unter dem Begriff „indisches Salz“ geführt. Medizinische Verwendung fand Rohrzucker beispielweise bei Heiserkeit und Husten, er sollte gegen Blähungen, Koliken und Verstopfung wirken, auch wurde Zucker als Heilmittel bei Brustschmerzen oder Unfruchtbarkeit eingesetzt, und zudem sollte er sogar bei Melancholie helfen. In England wurde Zucker erstmals im 12. Jahrhundert dokumentiert. Trotz seines luxuriösen Standes verbreitete sich Zucker rasant und war bereits im 13. Jahrhundert auch in entlegensten Städten Europas erhältlich. Die Zuckerrübe löst das Zuckerrohr im 18. und 19. Jahrhundert ab. Im Jahr 1747 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, dass die Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr. Allerdings lag der Zuckeranteil nur bei 1,6 %, ein zu geringer Anteil, um daraus Zucker herzustellen. Marggrafs Schüler, Franz Carl Achard, züchtete schließlich aus der Runkelrübe die Zuckerrübe mit einem Zuckeranteil von 5 %. Die erste Zuckerrübenfabrik entstand 1801/1802 in Schlesien. Einige Jahre später veranlasste Napoleon weitere Zuckerfabriken zu bauen. Bis heute wird in Europa der Bedarf an Zucker vor allem über Zuckerrüben gedeckt.
Zucker ist nicht gleich Zucker – es gibt Unterschiede in Art und Form
Sprechen wir von Zucker, so meinen wir meistens Haushaltszucker. Schauen wir etwas genauer hin, so fallen uns schnell weitere Zuckerarten wie Fruchtzucker, Traubenzucker oder Milchzucker ein. Alle Zuckerarten sind Kohlenhydrate, auch Saccharide genannt. Chemisch sind diese Zuckerarten unterschiedlich aufgebaut. Zu den Einfachzuckern, den Monosacchariden, gehören zum Beispiel Fruchtzucker (Fructose) und Traubenzucker (Glucose). Verknüpfen sich zwei Monosaccharide entstehen sogenannte Disaccharide oder Zweifachzucker. Haushaltszucker ist ein Disaccharid, es besteht aus Glucose und Fructose.
Zucker – allein mit dem Wort verbinden wir unweigerlich einen süßen Geschmack. Die einzelnen Zuckerarten unterscheiden sich deutlich in ihrer Süßkraft. Traubenzucker hat im Vergleich zum Haushaltszucker eine Süßkraft von 70 %. Traubenzucker kommt natürlicherweise in allen süßen Früchten und in Honig vor, meistens zusammen mit Fruchtzucker. Traubenzucker kann auch industriell aus der Stärke von Mais, Weizen oder Kartoffeln hergestellt werden. Fruchtzucker hat eine 20%ig höhere Süßkraft als Haushaltszucker. Industriell kann Fruchtzucker aus Haushaltszucker oder Stärke hergestellt werden. Milchzucker (Lactose) besitzt eine nur 30%ige Süßkraft verglichen mit Haushaltszucker. Lactose gehört zu den Disacchariden, er besteht aus den beiden Monosacchariden Glucose und Galactose. Damit der menschliche Körper Milchzucker verdauen kann, muss er im Dünndarm mit Hilfe des Enzyms Lactase in seine beiden Einzelbausteine zerlegt werden. Milchzucker ist leicht verdaulich und wird als Energielieferant in Babynahrung eingesetzt. Zudem wirkt Milchzucker regulierend auf die Verdauung. Will man also einzelne Zuckerarten gegeneinander austauschen, sollte man um Süßkraft und Wirkung im Körper Bescheid wissen.
Und dann liegt Haushaltszucker noch in unzähligen Varianten und Formen vor. In welchem gut sortierten Küchenschrank findet man nicht Puderzucker, Hagelzucker, Würfel- oder Kandiszucker? Bei diesen Sorten hat der Zucker eine unterschiedliche Korngröße oder Form. Zusätzlich kennen wir weißen und braunen Zucker. Brauner Zucker kann aus Zuckerrohr (Vollrohrzucker) oder aus Zuckerrüben (Vollzucker) gewonnen werden. Die Pflanzen werden zerkleinert, gekocht und gepresst, so dass ein dickflüssiger dunkelfarbiger Sirup entsteht. Der Zuckersirup wird bis zur Kristallbildung getrocknet. Wird der Vorgang mehrmals wiederholt und der auskristallisierte Zucker immer wieder von Sirupresten gereinigt, entsteht der weiße Zucker. Zucker ist Zucker – egal ob von weißer oder brauner Farbe. Brauner Zucker enthält zwar geringfügig mehr Mineralstoffe als weißer Zucker, diese fallen allerdings mengenmäßig in der Ernährung nicht ins Gewicht. Geschmacklich hat der braune Zucker eine leichte Karamellnote und kann somit gezielt in der Küche eingesetzt werden.
Zucker ist versteckt und bleibt oft unentdeckt
Der Slogan „Iss so natürlich wie möglich“ hilft versteckte Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln oder in Fertigprodukten zu meiden. Die süß machenden Substanzen der Gattung Saccharide treten zu oft inkognito auf. Auf jedem verpackten Lebensmittel kann die Zutatenliste Zucker & Co enttarnen. So verstecken sich hinter Begriffen wie Dextrose, Maltodextrin oder Polydextrose Mehrfachzucker, die ebenfalls zur Gruppe der Sacharide gehören. Auch Gerstenmalzextrakt ist ein Mehrfachzucker und hat nichts mit dem Feierabendbier zu tun. Und je weiter vorne die verschiedenen Zuckernamen in der Zutatenliste auftauchen, desto höher ist auch der Zuckeranteil, der sich im verarbeiteten Lebensmittel versteckt. Wer hier nach geleisteter Detektivarbeit seine Schlüsse zieht und fortan mehr Aufmerksamkeit und Vertrauen in seine eigene Kochkunst steckt, kann sich nicht nur im Hinblick auf seinen Zuckerkonsum etwas Gutes tun.